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Die Form der Ohren beeinflusst, wie wir hören

Klein, groß, länglich oder rund: Die Form der Ohren unterscheidet sich von Mensch zu Mensch und spielt für die Ortung von Tönen eine wichtige Rolle. Zu diesem Ergebnis kam ein deutsch-kanadisches Forscherteam durch Experimente mit verschiedenen Ohrformen.
Wenn wir unsere Augen schließen, wissen wir, aus welcher Richtung ein Ton kommt. Dadurch können wir in einer Gesprächsrunde mehrere Sprecher voneinander unterscheiden und dem Sprechenden gezielt unsere Aufmerksamkeit widmen. Die Form unserer Ohren spielt dabei eine entscheidende Rolle: Sie bestimmt, wie der Schall in unserem Innenohr reflektiert wird, und ändert ihn dabei ganz leicht, abhängig von seiner Richtung im Raum. Schellt rechts von uns eine Klingel, so erreichen die Schallwellen zuerst das rechte Ohr, anschließend mit etwas Verzögerung das linke. Unser Gehirn kann daraus zuordnen, woher das entsprechende Geräusch kommt.
Bei den Forschungsuntersuchungen lag der Fokus auf der Ohrmuschel. Mit kleinen Silikoneinsätzen veränderten die Wissenschaftler bei Versuchspersonen die Form der Mulde vor der Öffnung zum Gehörgang. Die Probanden konnten daraufhin nicht mehr unterscheiden, ob sich eine Geräuschquelle über oder unter ihnen befand, was vorher pro-blemlos möglich war. Demzufolge wertet das Gehirn nicht nur die reinen Schallwellen aus, die auf das Ohr treffen, sondern auch die Art und Weise, wie sie von der persönlichen Form der Ohrmuschel modifiziert werden.

Die Versuche führten noch zu einer weiteren wichtigen Erkenntnis: Nachdem die Teilnehmer die Einsätze eine Woche lang getragen hatten, schnitten sie bei Hörtests trotz der veränderten Ohrform dann wieder ähnlich gut ab wie zu Beginn. Ihr Gehirn hatte sich an die veränderten Bedingungen gewöhnt, und sie konnten die Position der Schallquellen wieder sicher heraushören. Mit unseren eigenen Ohren hören wir, weil unser Gehirn die Form kennt. Wenn sich diese jedoch ändert, braucht es einige Zeit, um sich anzupassen. Das ist beispielsweise im Wachstum der Fall.
Die Erkenntnisse des Forscherteams können auch helfen, Hörgeräte zu verbessern. In Deutschland sind aktuell etwa 17 % der Bevölkerung von Hörverlust betroffen. Mit steigender Tendenz, denn unsere Umwelt wird immer lauter, gleichzeitig werden die Menschen immer älter. Nach Schätzungen sind bis zu 25 % der Hörgeräte nicht im Einsatz, weil Patienten häufig unterschätzen, dass das Gehirn Zeit zur Gewöhnung braucht, und sie stattdessen eine sofortige Verbesserung erwarten.